Kiel: Voith-Verkauf endgültig gescheitert

Die Konstellation wäre in der europäischen Wirtschaft wohl einmalig gewesen: Ein russischer Waggonbauer, eine amerikanische Großbank und ein japanischer Technologiekonzern wollten in Kiel zusammen in den Lokomotivbau einsteigen. Und sie hatten nicht nur vor, die Produktion der Voith Turbo Lokomotivtechnik GmbH fortzuführen. ZMK (Zavod Metallkonstruktsy), die JPMorgan-Chase-Tochter OEP und Toshiba hatten nicht weniger vor, als von Kiel aus den westeuropäischen Markt mit modernen Dieselloks zu bedienen und daraus auch eine Lok für den großen russischen Markt zu entwickeln. Die drei Partner hätten das Projekt lange vorbereitet, heißt es aus dem Umfeld der Beteiligten. Und sie seien bereit gewesen, einen hohen zweistelligen Millionenbetrag an Voith zu überweisen – für das Know-how der Mitarbeiter, das Werk am Nord-Ostsee-Kanal und die Rechte an den Neuentwicklungen. Noch nach der öffentlich verkündeten Entscheidung von Voith, den Neubau in Kiel aufzugeben und sich aufs Service- und Wartungsgeschäft zu konzentrieren, hatte es Gespräche in Heidenheim gegeben. Und die können so ganz schlecht nicht gelaufen sein. Denn ZMK-Chef Stanislav Gamzalov bedankte sich Anfang Februar in einem Schreiben beim Vorsitzenden der Voith-Konzerngeschäftsführung, Hubert Lienhard, für das „fruchtvolle Gespräch“. Doch der russische Geschäftsmann hatte offensichtlich den falschen Eindruck mit zurück ins heimische Saratow (an der Wolga) genommen. Die Interessengemeinschaft ZMK, OEP und Toshiba gab zwar ein konkretes Angebot ab. Aber die folgenden Gespräche, so ist zu hören, sollen sehr zäh gewesen sein; und sie sollen unter anderem dadurch belastet worden sein, dass Voith immer wieder überraschend neue Themen in die Verhandlungen mit einbrachte. So soll Mitte April plötzlich davon die Rede gewesen sein, dass die Interessenten nicht nur den Lokbau, sondern zusätzlich auch zwölf gebrauchte Loks im Wert von rund 18 Millionen Euro übernehmen sollten. Die Verhandlungen scheiterten schließlich. Voith habe wohl an einem Verkauf nicht wirklich ein Interesse gehabt, ist aus dem Umfeld der Akteure zu hören. Das Ziel, so wird spekuliert, sei von Anfang an gewesen, den Bau von Dieselloks an diesem Standort nicht mehr fortzuführen – egal unter welchem Namen. Doch gesagt werden muss auch: Wenn der Technologie-Konzern aus Heidenheim zu einem Verkauf bereit gewesen wäre, hätte die weltpolitische Lage einen endgültigen Vertragsabschluss möglicherweise erschwert. Dass ein russischer Investor mitten in der Ukraine-Kriseein deutsches Unternehmen übernimmt, wäre zumindest stark erklärungsbedürftig gewesen – auch wenn er das zusammen mit einem amerikanischen und einem japanischen Partner getan hätte. Insgesamt hat es deutlich mehr als zwei Jahre gedauert, bis es nun eine endgültige Entscheidung gegeben hat. Über die Beratungsgesellschaft KPMG hatte Voith zunächst nach einem Käufer für Kiel gesucht. Mehrere Interessenten meldeten sich. Doch zunächst gab nur die Investmentgesellschaft Herzwert (Starnberg) ein konkretes Angebot ab. Herzwert hatte sich für dieses Projekt mit ehemaligen Bahnvorständen verbündet und ebenfalls Ausbaupläne für das Kieler-Lokwerk entwickelt. Doch Voith lehnte schließlich ab. ZMK, OEP und Toshiba meldeten ihr Interesse erst relativ spät an. Denn die drei Partner wollten zunächst eine umfassende Strategie entwickeln und prüfen. Und sie hatten eine große Vision: die eines neuen europäischen Schienenfahrzeug-Herstellers mit Sitz in Kiel und mehreren Standorten in Deutschland. Ob die nun endgültig geplatzt ist oder auf anderen Wegen möglicherweise weiterverfolgt werden soll darüber ist nichts zu erfahren. Sicher ist, dass der Verkauf des Kieler Voith-Standortes keine Möglichkeit mehr ist. Voith verhandelt derzeit mit Betriebsrat und IG Metall über einen Sozialplan. Voraussichtlich in dieser Woche sollen die Verhandlungen abgeschlossen werden. Von ehemals deutlich mehr als 200 Mitarbeitern werden wohl künftig höchstens um die 80 in Kiel beschäftigt werden. Der Rückzug von Voith aus dem Lok-Neubau hat für die Region jedoch noch gravierendere Folgen. Das Unternehmen beschäftigte in besten Zeiten zahlreiche Leiharbeitskräfte; und einige Komponenten für die Loks, die im Werk am Nord-Ostsee-Kanal gefertigt wurden, lieferten schleswig-holsteinische Firmen.

Kiel - Voith-Verkauf gescheitert